Auf geht´s: Es ist Zeit zum Anpacken

Das Handwerk hat eine solide Wirtschaftsgrundlage, doch auch hier ist jetzt Initiative gefragt.

Gerade in der Corona-Krise und dem langsam wieder anlaufenden, öffentlichen Leben, zeigt sich einmal mehr deren Wahrheitsgehalt. Das Handwerk hat eine solide Wirtschaftsgrundlage. Es wird von allen gebraucht und es ist vor Ort. Wie Gespräche mit Vertretern des Handwerks in der Region zeigen, haben zahlreiche Betriebe – je nach Fachrichtung – die Corona-Zeit bis jetzt verhältnismäßig gut durchgestanden.

„Das Bauhandwerk zum Beispiel“, stellt Michael Windmeißer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft im Neckar-Odenwald-Kreis, fest. Die Auftragsbücher seien schon vor der Krise gut gefüllt gewesen, und in der Krise hätten sich viele zu Hause festsitzende Menschen verstärkt um Haus und Hof gekümmert und die Handwerker mit entsprechenden Arbeiten beauftragt.

Deutlich schlechter sei es dagegen zum Beispiel jenen Fleischer und Bäcker-Betrieben ergangen, die vom Catering-Geschäft leben. Mit dem Lockdown fielen schlagartig alle Veranstaltungen weg, die von diesen Betrieben mit Essen und Trinken beliefert wurden. Friseurinnen und Friseur wiederum mussten ihre Salons zeitweise aus Infektionsschutzgründen schließen und durften danach nur unter einschränkenden Auflagen wieder Kunden bedienen.

Die Liste ließe sich sicher noch verlängern. Doch es zeigt sich: die Menschen brauchen die Handwerker für ihr tägliches Leben. Manche Fleischer, deren Catering nicht mehr lief, durften weiterhin mit Kundschaft an der Ladentheke rechnen. Dies glich zwar nicht die Verluste aus, aber immerhin: es „lief“ was. Das liegt sicher auch daran, dass in der Krise viele Konsumenten erkannt haben, welchen Wert die lokalen Metzgereien und regionalen Fleischzerlegebetriebe für die Versorgung haben, vor allem wenn – wie unlängst geschehen – ein großer Fleischverarbeitungsbetrieb in Nordrhein-Westfalen durch Corona lahmgelegt wird und keine Produkte mehr ausliefert.

Die Friseure verzeichneten schon kurz nach dem Lockdown wieder Zulauf, – schlichtweg weil die Haare der Menschen eben wachsen. Seit die Coiffeure wieder öffnen durften, kommen die Kunden trotz einschränkender Hygieneschutzmaßnahmen gerne vorbei.

Probleme mit Gerätelieferungen
Jochen Baumgärtner, der Kreishandwerksmeister im Neckar-Odenwald-Kreis, verzeichnete in seinem Metier, der Elektro- und Informationstechnik, und bei Kollegen in anderen Gewerken unterschiedliche Effekte. Zwar habe man im Bauhaupt- und -nebengewerbe Aufträge, doch bisweilen hapere es wegen Corona am Materialnachschub. Der Elektrogerätehandel etwa habe teilweise wegen internationaler Lieferketten Schwierigkeiten mit der Beschaffung, teilweise seien aber auch manche Produkte durch Corona und Lockdown quasi „ausverkauft“ gewesen. „Gefrierschränke, Fieberthermometer und Haarschneider“ sind nach Angaben des Elektromeisters in der Krise weggegangenen wie die berühmten warmen Semmeln.

Ein positives Erlebnis für Handwerker sei das entzerrte Geschehen auf Baustellen gewesen. Weil nicht mehr so viele Arbeitende gleichzeitig nahe zusammen tätig sein dürfen, konnte jedes Handwerkerteam seinen Job relativ ungestört machen. Die Elektriker installierten die Stromleitungen, ohne dabei den Bodenlegern ausweichen zu müssen, und diese wiederum mussten sich nicht ständig mit den Verputzern abstimmen.

Auch die Kunden seien bislang gelassener, so Baumgärtner. Vor dem Geschäft warten zu müssen, bis man dran ist, wird von den meisten klaglos akzeptiert. Alle wüssten, das Hektik und Ungeduld gerade jetzt unangebracht sind und zu nichts führen.

Die Kreishandwerkerschaft selbst und die übergeordneten Verbände haben laut Michael Windmeißer zur Bewältigung der Krise vor allem auf verstärkte Kommunikation gesetzt. Wichtige Informationen zur Krise „von oben“ schnell an die einzelnen Betriebe „nach unten“ weiterzugeben sowie umgekehrt die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung zeitnah mit den Erfahrungen und Impulsen von der Basis zu versorgen, habe beiden Seiten geholfen, auf die Herausforderungen rasch und angemessen zu reagieren.

Aufträge noch aus Vor-Corona-Zeit
Von ähnlichen Erfahrungen berichten die Vertreter der Kreishandwerkerschaft im Main-Tauber-Kreis. Teilweise habe die noch gute Auftragslage aus Vor-Corona-Zeiten den Betrieben die Arbeit nicht so schnell ausgehen lassen, teilweise seien sogar Aufträge hinzugekommen. Manche Betriebe hätten aber auch bittere Erfahrungen machen müssen, wie zum Beispiel Schreinereien, deren Hauptgeschäft Ladeneinrichtungen sind. „Das Handwerk wird zurückkommen – in einigen Bereichen vielleicht langsam, aber dafür stetig“, ist Angelika Gold, die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, überzeugt. „Allerdings ist noch nicht klar, was die Zukunft bringt. Was wird passieren, wenn die Kaufkraft vieler Menschen durch die Corona-Krise weiter schwindet?“

Kreishandwerksmeister Michael Szabo jedenfalls appelliert an die Betriebe, Mut und Zuversicht nicht zu verlieren. „Das Glas ist im Moment nur halbvoll“, versinnbildlicht er die Lage. „Wir müssen etwas dazu tun, dass es wieder voll wird.“ Auch sein Sohn Timo Szabo, der mittlerweile den elterlichen Kfz-Betrieb in Wertheim übernommen hat, sieht jetzt die Zeit zum verstärkten Anpacken gekommen, trotz aller Widrigkeiten. „Wir dürfen nicht jammern, wir müssen uns jetzt mit unserem Job beschäftigen.“ Die Voraussetzungen des Handwerks für ein Überleben seien allgemein gut. Dazu zählten unter anderem das Knowhow, gut ausgebildete und in der Regel der Firma treue Mitarbeiter sowie die Verankerung der Handwerksdienstleistungen im täglichen Leben der Menschen in der Region. Allerdings müsse ein Betrieb „gesund“ sein. Eine solide Geschäftsführung, die stets auch die Bildung von Rücklagen im Blick habe, sei eine der „alten“ Tugenden des Handwerkers, die sich nun auszahle.

Sprechen für die Kreishandwerkerschaft Neckar-Odenwald-Kreis: Geschäftsführer Michael Windmeißer (links) und Kreishandwerksmeister Jochen Baumgärtner.

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